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Der gelassene Umgang mit Wut, Ärger und Aggression

Ich bin voll zornig!

Der Lieblingssatz des Enkels einer guten Freundin von mir ist derzeit: “Ich bin voll zornig!” Als Oma zeigt sie ihm heute, wie man mit den von uns als unangenehm eingestuften Gefühlen umgeht, damit er es mal leichter hat als viele andere. Denn mal ehrlich, wer von uns hat in der Schule oder schon im Kindergarten gelernt, wirklich mit seinen Gefühlen umzugehen – also weder in ihnen zu baden noch sie tief in uns hineinzudrücken und sie vor uns und anderen zu verstecken?

Die ambivalente Beziehung zur Wut

Wut ist so ein Thema. Irgendwie will sie keiner haben und trotzdem scheint es schwer, sich von ihr zu trennen. Dazu haben wir Menschen ein recht ambivalentes Verhältnis. Wenn sie da ist, wollen wir sie nicht. Zeigt ein Mann seine Wut, gilt er als aggressiv und gefährlich. Ist eine Frau wütend, so wird sie schnell zur Zicke gemacht. Und beide fühlen sich hinterher relativ wahrscheinlich unwohl (das gilt nicht nur für Frauen!).

Aber der Gedanke, ohne sie zu leben, gefällt uns irgendwie auch nicht. Das Konzept den Umgang mit den Gefühlen zu lernen, so dass sie immer zahmer werden, bezweifeln viele meiner Klienten erstmal. Was soll ich denn machen, ohne meine Wut? Mach ich dann überhaupt noch was? Wieso soll ich eine Veränderung anstreben, wenn mich nichts an dem aktuellen Sachverhalt ärgert?

Bezüglich Wut gibt es ganz unterschiedliche Ansichten. Diese Ansichten nennen wir in der Psychologie Glaubenssätze. Und die haben einen starken Einfluss darauf, wie wir uns in alltäglichen Situationen verhalten. Sie prägen also nicht nur unser noch tiefer liegendes Wertesystem, sondern bestimmen auch die kleinen Entscheidungen in unserem Leben bewusst oder unbewusst mit.

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Das HB-Männchen Syndrom

Manchmal wollen wir nicht wütend werden, schämen uns für Gefühle wie der Wut und drücken sie zusammen mit den anderen unguten Gefühlen, die dann zu Frust und Wut führen könnten, so gut es geht weg. Das kann vordergründig ganz gut klappen. Doch dann passiert es…. Das HB-Männchen ist da! Wir verlieren plötzlich und ohne zu wissen, warum gerade jetzt, die Kontrolle und gehen in die Luft. In diesem Zustand ist es uns nicht möglich, noch irgendeinen Einfluss auf die eigene Reaktion zu nehmen. Hinterher ist es super unangenehm. Weiß ich überhaupt noch, was ich gesagt habe?? Schon passiert? Wenn das öfter passiert, kann es sein, dass wir Angst bekommen, die Kontrolle zu verlieren und gleichzeitig wissen wir nicht, wie man mit den frustrierenden Situationen besser umgehen soll.

Wut als Antrieb - Geht das wirklich?

Und dann ist da noch diese Hassliebe zur Wut und die Furcht sie ganz aufzugeben. (Vielleicht kann ich ja auch nur eine halbe Flasche Wein am Tag trinken… :)) Bei vielen Menschen ist total deutlich, dass sie die Wut anstrengend finden, und gleichzeitig sind sie fest davon überzeugt, dass sie ohne die Wut die Triebkraft ihres Lebens verlieren werden. Ganz bestimmt! Dass sie keine Motivation mehr zur Veränderung und Verbesserung ihres Lebens hätten ohne negative Gefühle!
Ich kann das gut nachvollziehen. Mir ging es früher ähnlich in Bezug auf das Gestresstsein! Ich dachte, ohne falle ich tot um oder verlasse zumindest nie wieder mein kuscheliges Bettchen.
Ich kann alle beruhigen. Nicht nur ärgere ich mich immer weniger, ich habe auch meinen empfundenen Stresspegel über die Jahre deutlich reduzieren können und ich hatte noch nie – stimmt nicht! Als Kind hatte ich noch mehr! – Ok, also ich hatte seit Jahren nicht mehr so viel Energie und Motivation wie heute!
Übrigens zeigen neuste Forschungen im Bereich der Neurowissenschaften, dass wir sehr viel besser vorankommen mit Leidenschaft und Freude als mit Wut und Scham. Tatsächlich scheint es uns sogar auszubremsen, wenn wir auf uns selbst wütend sind oder Scham empfinden für unser Versagen. Abgesehen von den ganzen Beziehungen, die man nach einer HB-Männchen-Aktion wieder kitten muss.
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Wut im Krankenhaus

Während ich dies schreibe, sitze ich gerade im ärztlichen Bereitschaftsdienst eines Krankenhauses. Und wenn ich mich umschaue und den Gesprächen lausche, merke ich, dass diese Situation anscheinend echt perfekt wäre, um sich zu ärgern. Ich brauche lediglich eine Krankmeldung. Ich sitze hier seit drei Stunden. Ich ärgere mich nicht. Heißt  das, dass ich inaktiv bin, dass ich mich aufgrund meiner Grippe einfach zu schwach fühle, um mich zu ärgern? Angebote mich mitzuärgern werden von außen reichlich an mich heran getragen. So ist das nicht. Da gibt es die Dame, die seit 5,5 Stunden mit Osteoporose hier wartet (Ich nehme an, dass sie schon vom Arzt gesehen worden ist. Ich will es aber gar nicht genauer wissen!). Neben mir sitzt in sich zusammengefallen und resigniert eine Frau, die eben noch sehr aufgeregt hineingestürmt war, um ihren Bluthochdruck zu verkünden. Meines Erachtens nicht gerade niedrig, aber es geht hier nun mal so schnell wie es geht. Eine weitere Dame war kaum zu halten, ist anscheinend schon das dritte Mal da heute. Jetzt wolle sie nur noch ein Rezept. Ohne geht sie hier nicht weg. Insgesamt ist die Stimmung dufte! Alle erzählen sich ihre Wartegeschichten und schaukeln sich gegenseitig auf. Eine Entschuldigung gab es schon. Von der Dame mit dem Rezept, die ungehalten die Sprechstundehilfe angeschrien hat, was für ein Sauhaufen das hier alles ist. Ihr war der Ausbruch deutlich unangenehm.

Und ich, bin ich nun ziellos, aktionslos, wo ich mich doch nicht ärgere? 

Nein! Trotz der Abstinenz meines Ärgers habe ich die nächste Arztpraxis angerufen, um herauszufinden, ob ich dort meine Krankmeldung bekommen kann. 

Kann ich nicht? In Ordnung. Dann warte ich noch etwas weiter und freue mich über die Zeit, die ich hier mit mir verbringen kann – fast ohne Ablenkung! Geschenkte Zeit!

Ein Weg zu mehr Gelassenheit

Ich saß nicht immer hier, ohne mich zu ärgern. Der Weg hierher in dieses Krankenhaus, auf diesem Stuhl und zu dieser Gelassenheit war ein langer. Wie ich hierher gekommen bin? >Meines Erachtens sind es vor allem zwei Dinge auf dem Weg zu mehr Gelassenheit mit der Wut:
  1. Akzeptiere den Ärger, wenn er da ist -> Sei nachsichtig mit Deinem Ärger und ärgere Dich nicht noch über ihn! Das macht es nicht besser.
  2. Frage Dich, ob Du bereit wärst das Gefühl des Ärgers loszulassen (und damit meine ich keine Verbannung!) -> Was glaubst Du über den Ärger? Brauchst Du ihn als Antrieb? Oder wofür ist er in Deinem Leben da?
Übrigens: Ob wir die Wut ausleben (müssen) oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Ich für meinen Teil möchte meine Fähigkeit, mich auch mal nach außen zu ärgern lieber bewusst einsetzen als es einfach nur über mich kommen zu lassen. Daran arbeite ich Schritt für Schritt und jeden Tag!