Der gelassene Umgang mit Wut, Ärger und Aggression
Ich bin voll zornig!
Die ambivalente Beziehung zur Wut
Wut ist so ein Thema. Irgendwie will sie keiner haben und trotzdem scheint es schwer, sich von ihr zu trennen. Dazu haben wir Menschen ein recht ambivalentes Verhältnis. Wenn sie da ist, wollen wir sie nicht. Zeigt ein Mann seine Wut, gilt er als aggressiv und gefährlich. Ist eine Frau wütend, so wird sie schnell zur Zicke gemacht. Und beide fühlen sich hinterher relativ wahrscheinlich unwohl (das gilt nicht nur für Frauen!).
Aber der Gedanke, ohne sie zu leben, gefällt uns irgendwie auch nicht. Das Konzept den Umgang mit den Gefühlen zu lernen, so dass sie immer zahmer werden, bezweifeln viele meiner Klienten erstmal. Was soll ich denn machen, ohne meine Wut? Mach ich dann überhaupt noch was? Wieso soll ich eine Veränderung anstreben, wenn mich nichts an dem aktuellen Sachverhalt ärgert?
Bezüglich Wut gibt es ganz unterschiedliche Ansichten. Diese Ansichten nennen wir in der Psychologie Glaubenssätze. Und die haben einen starken Einfluss darauf, wie wir uns in alltäglichen Situationen verhalten. Sie prägen also nicht nur unser noch tiefer liegendes Wertesystem, sondern bestimmen auch die kleinen Entscheidungen in unserem Leben bewusst oder unbewusst mit.
Das HB-Männchen Syndrom
Wut als Antrieb - Geht das wirklich?
Wut im Krankenhaus
Während ich dies schreibe, sitze ich gerade im ärztlichen Bereitschaftsdienst eines Krankenhauses. Und wenn ich mich umschaue und den Gesprächen lausche, merke ich, dass diese Situation anscheinend echt perfekt wäre, um sich zu ärgern. Ich brauche lediglich eine Krankmeldung. Ich sitze hier seit drei Stunden. Ich ärgere mich nicht. Heißt das, dass ich inaktiv bin, dass ich mich aufgrund meiner Grippe einfach zu schwach fühle, um mich zu ärgern? Angebote mich mitzuärgern werden von außen reichlich an mich heran getragen. So ist das nicht. Da gibt es die Dame, die seit 5,5 Stunden mit Osteoporose hier wartet (Ich nehme an, dass sie schon vom Arzt gesehen worden ist. Ich will es aber gar nicht genauer wissen!). Neben mir sitzt in sich zusammengefallen und resigniert eine Frau, die eben noch sehr aufgeregt hineingestürmt war, um ihren Bluthochdruck zu verkünden. Meines Erachtens nicht gerade niedrig, aber es geht hier nun mal so schnell wie es geht. Eine weitere Dame war kaum zu halten, ist anscheinend schon das dritte Mal da heute. Jetzt wolle sie nur noch ein Rezept. Ohne geht sie hier nicht weg. Insgesamt ist die Stimmung dufte! Alle erzählen sich ihre Wartegeschichten und schaukeln sich gegenseitig auf. Eine Entschuldigung gab es schon. Von der Dame mit dem Rezept, die ungehalten die Sprechstundehilfe angeschrien hat, was für ein Sauhaufen das hier alles ist. Ihr war der Ausbruch deutlich unangenehm.
Und ich, bin ich nun ziellos, aktionslos, wo ich mich doch nicht ärgere?
Nein! Trotz der Abstinenz meines Ärgers habe ich die nächste Arztpraxis angerufen, um herauszufinden, ob ich dort meine Krankmeldung bekommen kann.
Kann ich nicht? In Ordnung. Dann warte ich noch etwas weiter und freue mich über die Zeit, die ich hier mit mir verbringen kann – fast ohne Ablenkung! Geschenkte Zeit!
Ein Weg zu mehr Gelassenheit
Übrigens: Ob wir die Wut ausleben (müssen) oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Ich für meinen Teil möchte meine Fähigkeit, mich auch mal nach außen zu ärgern lieber bewusst einsetzen als es einfach nur über mich kommen zu lassen. Daran arbeite ich Schritt für Schritt und jeden Tag!
- Akzeptiere den Ärger, wenn er da ist -> Sei nachsichtig mit Deinem Ärger und ärgere Dich nicht noch über ihn! Das macht es nicht besser.
- Frage Dich, ob Du bereit wärst das Gefühl des Ärgers loszulassen (und damit meine ich keine Verbannung!) -> Was glaubst Du über den Ärger? Brauchst Du ihn als Antrieb? Oder wofür ist er in Deinem Leben da?