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Fasten

Gastbeitrag von Assistent Jirko

Fasten aus medizinischer Sicht

Fasten ist im Mainstream angekommen, das erklärt Dr. Rüdiger Dahlke in einem Interview aus diesem Jahr (2019). Mehr noch, er schreibt in einem Artikel:

„Gelänge es uns, die christliche Fastenzeit zu reaktivieren, könnten wir in absehbarer Zeit ganze Krankheitsbilder wie Gicht und Rheuma, Altersdiabetes und Bluthochdruck vergessen. Dem Herzinfarkt würde die Basis genommen und dem Krebs zumindest das Terrain erheblich ruiniert. Dass wir eine so einfache, billige und wirksame Maßnahme nicht nutzen liegt wohl im Macherwahn unserer Medizin, die noch immer (auf typisch männliche Art) davon träumt, Gesundheit produzieren zu können.“

Wie man lesen kann, es ranken sich sehr große Heilsversprechungen um das freiwillige Hungern. Könnte da etwas dran sein? Was sagt eigentlich die Schulmedizin dazu?

1. Was ist Fasten ?

Fangen wir mit einer kleinen Begriffsbestimmung an. Was ist Fasten?
Einigkeit besteht darüber, dass es im Kern um den Verzicht auf Nahrung geht. So einfach scheint das zu sein. Zusätzlich sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, wie das Fasten genau abläuft, welche Ziele dabei verfolgt werden und wann welche Wirkung einsetzt.

Die ersten Effekte des Nahrungsverzichts setzen schon etwa nach 12 Stunden ein. Je nachdem was die betreffende Person zuletzt gegessen hat, kann dieses Zeitfenster aber auch bis zu 16 Stunden betragen. Das sehr in Mode gekommene Intervallfasten setzt genau an dieser Stelle an. Dabei wird in einem bestimmten Zeitfester, meist 8 bis 12 Stunden, gegessen und die restliche Zeit gefastet.

 

Der beim Fasten von vielen Menschen praktizierte gänzliche Verzicht auf Nahrung oder auch nur auf manche Genussmittel, wie Alkohol, Süßes etc. und Fleisch, genügt jedoch meist nicht, um das Wohlbefinden und die Gesundheit nachhaltig positiv zu beeinflussen. Denn das ist heutzutage das primäre Ziel. Mit dem Fasten soll letztlich Einfluss auf die Gesundheit und/oder das Körpergewicht genommen werden. Insbesondere wird in den letzten Jahrzehnten vermehrt der Versuch unternommen, auch chronische und akute Erkrankungen zu behandeln oder gar zu heilen. Diese Fastenformen werden meist als Heilfasten bezeichnet. Darunter sammeln sich verschiedenste Methoden und „Ideologien“.

Die bekannteste Form ist hier das therapeutische Fasten nach Buchinger. Bei diesem Ansatz wird bis zu etwa 21 Tagen nur eine geringe Energiemenge, in etwa 200 bis 500 kcal, durch Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte zugeführt.

Alle anderen vornehmlich religiösen oder auch traditionellen Fastenvarianten nehmen ebenfalls Einfluss auf den Menschen. Jedoch hat das rituelle und religiöse Fasten ursprünglich zum Ziel, die Seele und den Körper zu reinigen oder Richtung für das Leben zu geben. Indigene Völker wie die Ureinwohner Nordamerikas verzichten auf Nahrung als Initiationsritus im Streben nach Orientierung im Leben und Einführung in einen neuen Lebensabschnitt.

Eine allgemeine Definition zum Fasten könnte zusammenfassend folgendermaßen lauten:

Fasten ist die reduzierte oder gänzlich unterbundene Nahrungszufuhr von mindestens 16 Stunden. Dabei werden der im Körper gespeicherte Makro- und Mikronährstoffe verwendet. Es dient dazu, einen Einfluss auf die Gesundheit, das Körpergewicht und mentale Prozesse zu nehmen.

Aus dem ersten Teil der Definition geht hervor, dass der Organismus seinen Stoffwechsel komplett umstellen muss und auf einen Reservemodus schaltet. Das heißt, archaische Überlebensfunktionen werden in uns angestoßen. Diese funktionieren nur, weil es in der langen Evolution des Menschen immer Engpässe in der Versorgung mit Nahrung gab. Welche Stoffwechselfunktionen in uns schlummern, schauen wir uns im nächsten Abschnitt an.

2. Überlebensstrategien

Eine sehr erfolgreiche Strategie des Menschen ist es auf eine große Nahrungspalette zugreifen zu können. Ob pflanzliche oder tierische Nahrung, Obst, Wurzeln, Gräser, Insekten, Großwild etc. Alles stand je nach Lebensraum auf der Speisekarte – mehr als bei jedem anderen Wesen auf diesem Planeten. Das Erhitzen von Nahrung konnte diese Palette extrem erweitern. So wurde Tierisches und Pflanzliches leichter verdaubar, manches roh giftige oder ungenießbare konnte verzehrt werden.

Doch evolutionsbiologisch gesehen, ist der allgegenwärtige Überfluss an Nahrung die Ausnahme. Fasten ist daher eine unserer natürlichen Lebensbedingungen und fest in unseren Genen verankert. So ist leicht zu verstehen, warum nicht zu essen gut funktioniert. Hingegen ist nicht zu trinken keine Option. Alle unsere Zellen und Stoffwechselvorgänge benötigen ausreichend Wasser, um richtig zu funktionieren. Daher kann der Organismus nur bei ausreichender Versorgung mit Flüssigkeit die nötigen Anpassungen des Stoffwechsel vornehmen und das Überleben für 3-4 Wochen sichern.

Trotzdem ist Nahrungsverzicht ein Stressor. Als solcher stellt er die Anforderung an den Körper, den Stoffwechsel anzupassen. Zunächst kommt es zur Ausschüttung von bestimmter Hormone, um eine Unterzuckerung zu verhindern.

Der Organismus schaltet in der weiteren Folge, sobald die Zuckerspeicher leer sind, auf Keton-Stoffwechsel um. Das heißt, es werden die Fettdepots des Körpers angezapft. In der Leber werden Fette zu sogenannten Keton-Körpern umgebaut. Diese dienen dann als Energielieferanten, da viele Organe wie das Gehirn selbst kein Fett verbrennen können. 

Das Immunsystem wird ebenfalls angepasst, wobei der Blutdruck deutlich sinkt(2). Nach schon 7 Tagen verringert sich das Ausgangsgewicht um durchschnittlich 2,2 Kg (2), das Bauchfett nimmt ab. In den ersten Tagen besteht der Gewichtsverlust allerdings zu großen Anteilen aus Wasser. Doch je länger gefastet wird, desto mehr Fett wird aus den Speicherzellen mobilisiert. Allerdings wird gleichzeitig auch Eiweiß der Muskeln zur Energiegewinnung herangezogen.

Diese Wirkungen des Fastens lassen sich auch durch Studien belegen.

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3. Studienergebnisse

In einer der groß angelegten Beobachtungsstudie (3) mit fast 1500 Personen konnten verschiedenste Wirkungen und Zusammenhänge des Fastens nachgewiesen werden. Dabei konnte beispielsweise der oben beschriebene Gewichtsverlust, die Abnahme des Blutdrucks, eine Verbesserung des Leberstoffwechsels und des Blutzuckers festgestellt werden.

Das Fasten gilt im Rahmen dieser Studie für einen Zeitraum von 4 bis 21 Tagen als sicher und führte sogar bei schwerwiegenden Krankheiten zu deutlichen Symptomverbesserungen. In erster Linie ist Diabetes Typ II und einige rheumatische Krankheitsbilder damit sehr gut behandelbar. Allein dafür sollte es das Fasten auf Rezept geben!

Diese Wirkung wird unter anderem auf die Normalisierung von Entzündungswerten in Blut und Leber und dem Rückgang von entzündungsfördernden Prozessen, durch Verringerung des Bauchfetts zurückgeführt.

Erwähnenswert sind zudem die Effekte des Fastens auf Prozesse im Gehirn. Einige dieser Anpassungen sind:

  • Die Erhöhung des BDNF-Spiegels (Brain-derived neurotrophic factor) als Schutz- und Wachstumsfaktor für Neuronen. Das hat vor allem Auswirkungen auf Teile des Gehirns, die mit Depressionen in Verbindung stehen. Ein höhere Menge dieser Stoffe verbessert das Wohlbefinden und kann auch das Lernen positiv beeinflussen.
  • Endorphine, also Glückshormone, werden verstärkt vom Körper ausgeschüttet. Diese wirken unter anderem schmerzlindernd und stimmungsaufhellend.
  • Die Energiegewinnung aus Fett durch Ketose-Stoffwechsel versorgt das Gehirn mit ausreichend Energie ohne die sonst üblichen Blutzuckerschwankungen.
  • Serotonin, ein stimmungsaufhellender Stoff, kann länger seine Wirkung entfalten, bevor es wieder abgebaut wird.  Dadurch kann es seine beruhigende und stimmungsstabilisierende Wirkung besser entfalten.

Alle vier Einflussfaktoren sind maßgeblich an der hohen Akzeptanz des Fastens beteiligt und sorgen dafür, dass die Nahrungsverringerung gut tolerierbar ist. So ist außerdem erklärbar, das viele Fastende von euphorischen Erlebniszuständen berichten.

Das hört sich alles super an – Oder?

Im Licht der Evolution kann man erkennen, dass diese Anpassungen auf eines abzielen: Das Überleben soll gesichert werden! Die als positiv erlebten Wirkungen des Hungers führen letztlich zur Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme. Unser Körper stellt durch Anpassungen am Energie- und Gehirnstoffwechsel sicher, dass das weiter möglich ist. Denn wer zu schwach ist und keine Nahrung suchen kann, der überlebt nicht.

4. Last but not least – Autophagie

Dieser Begriff wird im Rahmen des Fastens zur unterstützenden Krebsbehandlung oft erwähnt. In der Zelle laufen in jeder Sekunde kaum überschaubare biochemische Prozesse ab. Grob gesagt werden aufbauende und abbauende Prozesse unterschieden. Die Autophagie wird als die Müllabfuhr der Zelle beschrieben. Sie vermittelt diese beiden unabdingbaren Prozesse miteinander. Es werden unbrauchbare oder defekte Moleküle abgebaut und aus der Zelle transportiert. Das Hungern bzw. Fasten unterstützt diesen Vorgang und wirkt dadurch schützend und „verjüngend“. Die interne Müllabfuhr fungiert damit wie ein Entgiftungsprogramm. Damit beugt sie zum Beispiel der Entstehung von Krebs vor, behebt fehlerbehaftete Vorgänge in der Zelle und verlangsamt dadurch das Altern.

5. Zusammenfassung

Wie Du sehen konntest, gibt es gute Gründe, das Fasten auszuprobieren. Diabetes-Erkrankungen lassen sich dadurch eindämmen. Auch das metabolische Syndrom, also das Zusammenkommen von Übergewicht, Bluthochdruck, hohem Cholosterinspiegel und hohem Blutzucker, kann durch Fasten positiv beeinflusst werden.

Wenn Du bisher eher skeptisch warst, versuch es mal. Es muss ja nicht gleich ein völliger Verzicht auf Nahrung über mehrere Tage oder Wochen sein. Probier doch erstmal das Intervallfasten, wo Du einige Stunden nichts isst oder den Verzicht auf Genussmittel wie Zucker oder Alkohol aus, um zu sehen, ob es etwas für dich ist.

Ich bin Ulrikes Assistent, Jirko