DIplom Psychologin Somatic Experiencing wecke den Tiger in Dir und stärke deine Resilienz Stress reduzieren

Somatic Experiencing® (SE) – wecke den Tiger in Dir und stärke Deine Resilienz

Gastbeitrag von Assistentin Sandra
Das Trauma steckt im Nervensystem, nicht im Ereignis.”
 
Dieses Zitat stammt von Dr.  Peter Levine, der sich als Biophysiker und Psychologe seit den 1970er-Jahren der Erforschung der physiologischen Abläufe bei Stressreaktionen widmet und den psychobiologischen Ansatz von Somatic Experiencing® (SE) zur Lösung von traumatischem Stress entwickelte. Bei der Beobachtung von Tieren in der freien Wildbahn entdeckte er, dass alle Säugetiere, und somit auch der Mensch, über eine natürliche „Immunität“ gegenüber den belastenden langfristigen Auswirkungen von Traumata verfügen. Aber was meint er damit genau?

Somatic Experiencing® (SE) - der Tiger in uns

Tiere in der freien Wildbahn erleben täglich lebensbedrohliche Situationen und zeigen dennoch selten Traumasymptome. Dabei durchlaufen bedrohte und überwältigte Tiere beim Reagieren auf eine Gefahr bestimmte Phasen in Form von Kampf, Flucht und Erstarrung. Der Körper sorgt für die optimale Überlebenschance durch die Aktivierung impliziter fester Abläufe, der Mobilisierung eines hohen Energiepegels zur eigenen Verteidigung und dem Herunterfahren aktuell entbehrlicher Körperfunktionen. Ist die Gefahr dann vorbei, erfolgt bei Wildtieren die Rückkehr in den normalen Funktionsmodus durch die Entladung von überlebensrelevanten Energien in Form von Zittern und Beben sowie der Integration überschüssiger mobilisierter Energien. Diese physiologischen Reaktionen sind der Kern unserer biologischen Selbstregulation und unserer Resilienz.

Traumafolgestörungen - eine Dysregulation im Nervensystem

Für den Menschen bedeutet dies, wenn wir in eine bedrohliche Situation geraten, bedient sich unser Nervensystem im Notfall vier sehr wichtiger Überlebensmechanismen: dem Sozialen Kontakt zur Schutzsuche, dem Kampf, der Flucht und der Erstarrung bzw. dem Kollabieren. Zum Trauma kommt es nach Peter Levine – im Unterschied zur üblichen Definition des Klassifikationssystems ICD-10 – bereits immer dann, wenn etwas zu viel, zu schnell, zu plötzlich passiert und die darauf einsetzende menschliche Reaktion der Immobilität zu keiner Lösung findet, die Immobilität chronisch wird, verbunden mit Angst und anderen intensiven negativen Emotionen wie Schrecken, Ekel, Scham und Hilflosigkeit. Damit wird ein Ereignis zum Trauma, wenn es unsere Schutzhülle verletzt und uns mit einem Gefühl der Überwältigung und dem Ausgeliefertsein zurücklässt.
 
Das bedeutet, wenn wir erfolgreich aus einer bedrohlichen Situation flüchten können oder den Kampf gegen den Angreifer gewonnen haben oder soziale Unterstützung gefunden haben, sind wir mit unserer Kraft verbunden und können uns sehr gut von dem belastenden Ereignis erholen. Das natürliche Gleichgewicht und das innere Sicherheitsgefühl stellt sich selbstständig wieder her. Erscheint es uns jedoch aussichtslos zu kämpfen oder zu flüchten oder es gibt keine soziale Unterstützung, dann erstarren wir. Wenn die Intensität des Erlebens dann zu stark wird, kann es sogar zur Dissoziation kommen, um die überwältigende Hilflosigkeit nicht mehr zu empfinden. Ist die Situation dann vorbei und die Entladungen aus dem Nervensystem in Form von Abzittern dieser Überlebensenergien werden behindert oder es besteht ein Widerstand dagegen, können diese nicht automatisch zum Abschluss kommen.  Die natürliche Fähigkeit wieder ins Gleichgewicht zu kommen kann sich nicht entfalten. Menschen, die nach einer realen oder auch empfundenen Bedrohung „in der Situation feststecken“ bleiben, verspüren weiterhin einen Zustand der ständigen Anspannung oder Dissoziation und sind weiterhin im Alarmzustand und erwarten den nächsten Angriff. Auf diesem Wege kommt es aufgrund der hohen eingefrorenen Energien  zur  Dysregulation im Nervensystem, es verliert seine Flexibilität und der chronische Stress kann über Jahre im Körper gespeichert bleiben. Die Folge ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Traumafolgestörung oder zumindestens eine Schwächung der eigenen Widerstandskraft. Die Dysregulation des Nervensystems führt zur Beeinflussung der subkortikalen Regionen unseres Gehirns, so dass Betroffene oft Auswirkungen nicht mit den vorangegangenen traumatischen Erlebnissen in Verbindung bringen können oder nicht in Worte formulieren können. Damit definiert Somatic Experiencing® (SE) Trauma nicht durch das Ereignis, sondern durch die körperliche Reaktion auf das Ereignis. Aus dieser Perspektive können auch scheinbar gewöhnliche und alltägliche Ereignisse wie medizinische Behandlungen, ein Sturz, ein Hundebiss, eine schwere Krankheit, ein Verkehrsunfall oder der Verlust eines nahen Menschen zum traumatisierenden Erlebnis werden.

Zentrale Konzepte von Somatic Experiencing® (SE)

Um die Herangehensweise von Somatic Experiencing®(SE) besser zu verstehen, ist es wichtig ein grundlegendes Verständnis von der Funktionsweise des Autonomen Nervensystems, unseres Gehirns und der nonverbalen Kommunikation mit dem Körpergedächtnis zu haben.
 
  • Autonomes Nervensystem und Toleranzfenster
Unser Autonomes Nervensystem besteht aus einem sympathischen Zweig, der für die Aktivierung und Mobilisierung des Körpers zuständig ist,  und einem parasympathischen Zweig, dessen Aufgabe in der Beruhigung und Entspannung liegt. Der parasympathische Zweig unterteilt sich dann in einen Teil des Vagussystems, der für die Immobilisation und das Abschalten zuständig ist, und in einen weiteren Teil, der das Soziale-Engagement-System genannt wird. Die beiden Hauptzweige des Sympathikus und Parasympathikus wirken zum Teil entgegengesetzt auf die Organe und sie unterliegen nicht unserem bewussten Willen. Dabei finden die gegenläufigen Schwingungen dieser beiden Zweige in Form von Aktivierungs- und Deaktivierungszyklen in einem Toleranzfenster statt, das bildlich betrachtet,  einem Fenster mit einer oberen und unteren Grenze gleicht, in dem die Amplituden des Autonomen Nervensystems in relativ gleichmäßigen Wellen schwingen. Dabei gilt, je weiter der Abstand zwischen den beiden Grenzen ist, desto mehr Spielraum besteht im Nervensystem und umso größer ist der Resilienzbereich. Die Größe des Toleranzfensters ist bei jedem individuell aufgrund von Lebenserfahrungen ausgeprägt und spiegelt den Bereich wieder in dem wir uns sicher fühlen, lernfähig sind, das Leben geniessen können gepaart mit einer guten Stressresistenz. Wenn wir uns nun bedroht fühlen, schauen wir uns zuerst um zur Vergewisserung, dass wir in Sicherheit sind – das ist unser Bindungsverhalten, das durch das Soziale-Engagement-System gesteuert wird. Wenn prosoziales Verhalten aber die bedrohliche Situation nicht auflöst, dann werden die Kräfte für Kampf- und Flucht mobilisiert – der Tiger in uns erwacht. In diesem Moment verlassen wir dann das Toleranzfenster und bewegen uns entweder oberhalb aufgrund des Hyperarousals (Kampf- und Fluchtmodus) oder unterhalb aufgrund des Hypoarousals (Erstarrungsmodus). Ziel im Rahmen einer Behandlung mit Somatic Experiencing®(SE) ist es, wieder zurück in das Toleranzfenster zurückzukehren und auch das Toleranzfenster zu erweitern, in dem das Nervensystem wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurückfindet.
 
  • Das dreieinige Gehirn 
Nach Peter Levine ist die dynamische Balance zwischen den primitivsten und den höchsten entwickelten Teilen des Gehirns der Schlüssel zur Integration von Trauma und schwieriger Emotionen. Darüber hinaus fördert das Zusammenwirken von Gehirn und Körper sowie rechter und linker Gehirnhälfte unsere Ganzheit. Unser Gehirn ist ein unglaublich komplexes Netzwerk aus Gehirnzellen, die ihre Aufgaben in unterschiedlichen Weise erledigen. Das Modell des dreieinigen Gehirns (Paul McLean) ist hilfreich für ein vereinfachtes Verständnis: es unterteilt das Gehirn in den Neocortex für das Denken mit Kognitionen und Sprachverstehen, dem Mittelhirn für das Fühlen mit Sitz der Emotionen, dem Gedächtnis und dem Alarmzentrum sowie dem Stammhirn für das Spüren mit dem Reptiliengehirn für Erregungsregulation und Instinkt. Diese verschiedenen Zentren des Gehirns können miteinander im Konflikt stehen, indem zum Beispiel die primitiven Selbsterhaltungserhaltungsbotschaften aus dem Hirnstamm und dem limbischen System uns auffordern um unser Leben zu rennen in einer bedrohlichen Situation, während der Neocortex zum vernünftigen und ruhigen Handeln ermahnt. Die Entkoppelung dieses Angst-Immobilitäts-Kreislaufes steht im Mittelpunkt der Arbeit von Somatic Experiencing®(SE).
 
  • Felt Sense
Als Medium der Veränderung gilt im Somatic Experiencing®(SE) das „Felt Sense“, die Sprache des Spürens, und die akzeptierende Beobachtung der Körperempfindungen. Dabei ist unter der Felt-Sense-Wahrnehmung keine geistige, sondern eine physische Erfahrung, ein körperliches Wahrnehmen einer Situation, einer Person oder eines Ereignisses zu verstehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen kognitiven Ansätzen der Traumabehandlung, die damit arbeiten wie Gedanken Emotionen und Verhalten beeinflussen (top-down), wird bei Somatic Experiencing®(SE) mit der Fähigkeit des Körpers gearbeitet Gedanken, Emotionen und Verhalten zu beeinflussen (bottom-up).

Somatic Experiencing® (SE) - Lösung von traumatischem Stress und Stärkung der Resilienz

Die Arbeit von Somatic Experiencing®(SE) besteht in der sanften Lösung von Traumasymptomen und der Linderung von chronischem Stress. Ziel der Therapie besteht darin, die automatischen Antworten des Körpers, die durch das Schocktrauma gespeichert wurden, zu komplettieren und integrieren. Dabei ist – anders als bei anderen Traumatherapieformen – keine ausführliche Nacherzählung der traumatischen Ereignisse erforderlich. Diese inhaltsfreie Arbeit ist besonders bei sehr belastenden oder nicht erinnerbaren Erlebnissen sinnvoll, da es reicht wenn sich der Körper erinnert. Dafür wird in der Arbeit mit Somatic Experiencing®(SE) eine einfache und verlangsamte Sprache sowie wertfreie Aufmerksamkeit eingesetzt um die mit dem Trauma assoziierten Körperwahrnehmungen, Emotionen, Gedanken, Überzeugungen, innere Bilder und Anteile zu integrieren.

Ablauf einer Behandlung mit Somatic Experiencing ® (SE)

Die Arbeit von Somatic Experiencing®(SE) besteht in der sanften Lösung von Traumasymptomen und der Linderung von chronischem Stress. Ziel der Therapie besteht darin, die automatischen Antworten des Körpers, die durch das Schocktrauma gespeichert wurden, zu komplettieren und integrieren. Dabei ist – anders als bei anderen Traumatherapieformen – keine ausführliche Nacherzählung der traumatischen Ereignisse erforderlich. Diese inhaltsfreie Arbeit ist besonders bei sehr belastenden oder nicht erinnerbaren Erlebnissen sinnvoll, da es reicht wenn sich der Körper erinnert. Dafür wird in der Arbeit mit Somatic Experiencing®(SE) eine einfache und verlangsamte Sprache sowie wertfreie Aufmerksamkeit eingesetzt um die mit dem Trauma assoziierten Körperwahrnehmungen, Emotionen, Gedanken, Überzeugungen, innere Bilder und Anteile zu integrieren.

Nachdem eine Atmosphäre von relativer Sicherheit für den Klienten erzeugt wurde und die Fähigkeit besteht sich im Hier und Jetzt zu orientieren und zu erden, werden innere und äußere Ressourcen entwickelt, die in der traumatischen Situation gefehlt haben. Darunter sind Ankerpunkte zu verstehen, die helfen, einen Klienten zu stabilisieren. Der Klient wird bei der Erforschung einer Empfindung vom Therapeuten im Gespräch unterstützt und er hilft ihm, diese zu akzeptieren. Entscheidend sind dabei ein kleinschrittiger Prozess durch Verlangsamen der Herangehensweise und einem sehr behutsamen einladenden Vorgehen im Allgemeinen. Das Pendeln und die Titration zwischen den Ressourcen und dosierter Belastungen der traumatischen Erinnerungen ermöglicht dann dem Klienten das Trauma ohne Gefühle von Überwältigung oder Retraumatisierung zu verarbeiten. Die akzeptierende Beobachtung der Körperempfindungen setzt die autonome Selbstregulation im Autonomen Nervensystem in Gang und die Körperwahrnehmung verändert sich.

Ein Trauma ist die Hölle auf Erden.
Ein aufgelöstes Trauma ist ein Geschenk der Götter.“ 
(Peter Levine)
 
Solltest du Dich angesprochen fühlen oder Fragen haben, dann melde Dich doch bei Ulrike, sie ist gern für Dich da!

Ich bin Ulrikes Assistentin, Sandra