Diplom Psychologin Ulrike Duke You can relax Progressive Muskelentspannung nach Jacobson

You can relax - Progressive Muskelentspannung nach Jacobson

Gastbeitrag von Assistentin Sandra

„You must relax“ – in diesem Werk beschrieb 1934 der amerikanische Arzt und Psychologe Edmund Jacobson seine entwickelte Entspannungsmethode, die Progressive Muskelrelaxation (PMR) – wörtlich übersetzt „fortschreitende Entspannung“. Der Begründer dieser Methode stellte umfangreiche Untersuchungen zur Funktionsweise der Muskulatur an und wies einen Zusammenhang zwischen übermäßiger muskulöser Anspannung und körperlichen-seelischen Beschwerden nach. Er stellte fest, dass die Entspannung der Muskulatur positive Auswirkungen auf seelische Anspannung und Erregungszustände hat. „You must relax“ bedeutet also, Du musst dich körperlich und seelisch entspannen für ein gesundes inneres Gleichgewicht mit Dir und Deinem Körper.

Grundlagen der Progressiven Muskelentspannung

Das Vorgehen der PMR zur Erreichung des Entspannungszustandes mutet auf den ersten Blick paradox an – Entspannung durch Anspannung. Aber das ist es nicht, denn eine Folge der Reaktion auf Stress und Angst ist neben den physiologischen Veränderungen wie Anstieg der Herzfrequenz, Beschleunigung der Atmung und Erhöhung des Blutdrucks, ein reflexhafter Anstieg der Muskelspannung. Im Umkehrschluss kann man durch muskuläre Entspannung dem Stresserleben entgegenwirken, das ist der Ansatzpunkt der Progressiven Muskelentspannung. Jacobson fand heraus, dass bei intensiver muskulärer Entspannung unter anderem die Atmung gleichmäßiger wird, die Herzfrequenz abnimmt, die Verdauung zunimmt, mentale und emotionale Aktivität minimiert werden. Die Beeinflussung der Stressreaktion durch die Veränderung der Muskelspannung hat den Vorteil, dass die Wahrnehmungsfähigkeit für den Zustand der Muskulatur sowieso relativ gut ausgeprägt ist. Denn jeder Mensch hat ein mehr oder weniger gut entwickeltes Gefühl für den Spannungszustand seiner Muskulatur. Für andere körperliche Parameter, wie z.B. den Blutdruck, der sich bei Stress ändert, ist die Wahrnehmungsfähigkeit nur sehr gering.
 
Im Rahmen des klassischen Verfahren spannt man 16 verschiedene Muskelgruppen hintereinander auf das Wort jetzt zunächst stark an, danach lässt man die Muskulatur wieder locker und konzentriert sich auf den Übergang von der Anspannung zur Entspannung. Vielen Menschen fällt es leichter, den Entspannungszustand zu erzeugen, da ja zunächst nur die reflexhafte muskuläre Anspannung verstärkt wird. Darüber hinaus wird ein Kontrasteffekt zwischen Anspannung und Entspannung erzeugt, der umso höher ist, je höher die vorhergehende Anspannung war. Die Entspannung wird auf rein muskulärer Ebene unmittelbar spürbar. Ziel des Trainings ist es nach Jocobson eine „Kultivierung der Muskelsinne“, das heisst die Wahrnehmung für die Anspannung der Muskulatur zu schärfen. Nach einiger Zeit des selbständigen Übens sind die meisten Personen in der Lage, mit Hilfe von vereinfachten Jacobson-Verfahren, die mit weniger Zeitaufwand verbunden sind, die gleiche Entspannungstiefe wie mit dem klassischen Verfahren zu erreichen. So gibt es verkürzte Verfahren mit sieben oder vier Muskelgruppen oder auch das Vergegenwärtigungsverfahren, bei dem keine muskuläre Anspannung mehr erforderlich ist, sowie das Zählverfahren.
 
Die muskulären Entspannungsübungen der PMR kann man auch an verschiedene Realsituationen anpassen, wie z.B. am Schreibtisch im Büro, im Auto, im Zahnarztstuhl, im Flugzeug oder in der Bahn, bei einem Vortrag, einem Vorstellungsgespräch oder in einer Prüfung. Dabei können muskuläre Techniken zur Reduktion der Anspannung in realen Stresssituationen sehr gut mit Atemtechniken und kognitiven Techniken kombiniert werden.
 

Für wen ist die Progressive Muskelentspannung geeignet?

Eine Vielzahl von Studien in den letzten Jahren haben nachgewiesen, dass PMR bei folgenden Indikationen und Krankheitszuständen hilfreich sein kann: 
– allgemeine Gesundheitsprophylaxe
– psychischen, vegetativen und physischen Spannungszuständen: Nervosität, innere Unruhe, Gereiztheit, Spannungskopfschmerzen, Migräne, Schulter- und Rückenschmerzen
– Schlafstörungen 
– Angst- und Zwangsstörungen
– Depressionen und Burnout-Syndrom
– funktionellen stressbedingten Herz- und Kreislaufstörungen
– Magen-Darm-Störungen
– verschiedenen Schmerzformen
– Atemwegserkrankungen
– Tinnitus
 
Grundsätzlich beeinflusst eine entspannte Atmung das vegetative Nervensystem positiv, so dass sich Verkrampfungen und Abwehrspannungen lösen können und Schmerzlinderung eintritt. Als weiterer Effekt erfolgt durch die Ablenkung der Gedanken eine Unterbrechung der Grübelgedanken. Die auf diese Weise eintretende tiefe körperliche Entspannung führt zu einem ganzheitlichen Ruhezustand.
 
Eigentlich ist die Progressive Muskelentspannung für jeden geeignet. Es gibt jedoch Krankheiten bzw. gesundheitliche Einschränkungen, bei denen auf die Entspannungsmethode verzichtet werden sollte. Dazu gehören das akute Muskelrheuma, die akute Arthritis sowie bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Menschen mit schwachem Kreislauf sollten mit ihrem Arzt Rücksprache halten, ob PMR für sie geeignet ist, da während der Entspannung der Blutdruck sinken kann. Schwere Depressionen, Psychosen und andere schwerwiegende psychische Erkrankungen sind ebenfalls ein Ausschlusskriterium, da die Entspannungsübungen einen Krankheitsschub auslösen können. Nach kurz zurückliegende Operationen, besonders an den Gelenken und an der Wirbelsäule können die Wundheilung negativ beeinflussen. Auch wenn eine Schwangerschaft vorliegt, sollte der Arzt dem zustimmen.

Unterschiede zum Autogenen Training und zur Meditation

– Im Gegensatz zum Autogenen Training, bei der mentale Vorstellungen zur Entspannung führen sollen, steht bei der klassischen Progressiven Muskelentspannung  die körperliche Aktivität als Zugang zur Entspannung im Vordergrund. 
– Die Progressive Muskelrelaxation ist in der Regel schneller und leichter zu erlernen als das Autogene Training. Durch die Wahrnehmungslenkung auf real existierende und messbare, durch den Übenden selbst produzierte Entspannung der Muskelgruppen, ist der Entspannungseffekt schneller bemerkbar und macht es
vielen Menschen einfacher, die Methode zu erlernen. Dies erhöht auch die Motivation und das Durchhaltevermögen.
– Ähnlich wie beim Autogenen Training können in späteren Sitzungen ebenfalls Suggestionen gegeben werden, diese erfolgen aber eher indirekt und beiläufig. Hauptsächlich werden klare und eindeutig nachvollziehbare Anweisungen – vergleichbar mit einem sportlichen Training – gegeben, dies reduziert die Angst vor Kontrollverlust und Manipulation bei den Übenden.
– Durch den fortwährenden Wechsel von intensiver muskulärer Anspannung und Entspannung wechselnder Muskelgruppen bleibt der Übende mit seiner Aufmerksamkeit zumindestens teilweise im Kontakt mit dem Therapeuten, somit wird ein Einschlafen wie es bei Autogenen Training häufig passiert vermieden.
– Ebenso kommt es durch die Aufmerksamkeit in Richtung des Therapeuten und durch die Konzentration auf den Körper zu wenig Ablenkung von außen oder eigener Gedankenaktivitäten. 
– Die PMR hat als Entspannungsverfahren primär und ausschließlich somatische Entspannung und subjektives Wohlbefinden zum Ziel. Es ist somit im Unterschied zur Meditation frei von jeglichem philosophischen Inhalten, denn Selbstfindung, Sinnfindung, Bewusstseinserweiterung spielen keine Rolle. Es können zwar meditative Effekte auftreten als eine Art Nebenprodukt, aber dies ist nicht das Ziel, das es explizit zu erreichen gilt.

Ein kleiner Vorgeschmack...

Und, bist Du ein wenig neugierig geworden die PMR mal auszuprobieren? Vielleicht ist es genau das richtige Entspannungsverfahren für Dich. Hier ist ein kleiner Vorgeschmack zum Kennenlernen:
 
Setz Dich auf einen bequemen Stuhl, der es Dir ermöglicht, locker zu sitzen. Achte darauf, dass der Stuhl Dich trägt, auch wenn sämtliche Muskelgruppen Deines Körpers entspannt sind. Lasse die Augenlider sanft nach unten sinken, so dass die Augen halb oder vollständig geschlossen sind. Lass den Unterkiefer locker und der Mund ist entspannt, die Zunge liegt locker in der Mundhöhle. Lasse die Schultern zu Boden sinken. Lege Deine Hände locker auf die Oberschenkel.
Atme ruhig ein und aus und beobachte, wie sich Deine Bauchdecke beim Einatmen hebt und beim Ausatmen wieder senkt.
Wir beginnen nun, indem wir verschiedene Muskelgruppen durchgehen und diese zunächst intensiv anspannen auf das Wort jetzt und anschließend wieder locker werden lassen. Wir beginnen mit der rechten Hand und dem rechten Unterarm (bei Linkshändern die linke Seite).
Bilde mit Deiner rechten Hand eine Faust und spanne die Muskeln Deiner Hand und des rechten Unterarms maximal an… jetzt … fühle die intensive Spannung, atme ruhig weiter, halte noch ein wenig mehr die Spannung (5-7 Sek.) und lasse mit dem Ausatmen wieder los und öffne die Faust… 
Achte auf den Unterschied zwischen der Anspannung vorher und der jetzigen Entspannung. Bleibe mit Deiner inneren Aufmerksamkeit bei den Muskeln, die nun entspannt sind. (Pause 30-40 Sek.)
Wiederhole diese Übung noch einmal, spanne die rechte Faust jetzt an und halte die Spannung, atme ruhig weiter ein und aus, und halte die Spannung noch ein wenig mehr … (5-7 Sek.) und lasse jetzt wieder los, öffne die Faust…und achte auf den Unterschied zwischen der Anspannung vorher und der Entspannung jetzt, bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei den entspannten Muskeln.
(Pause 30-40 Sek.)
Wir kommen nun zum rechten Oberarm, den Du anspannen kannst, indem Du mit angewinkeltem Arm den Oberarm gegen den Brustkorb drückst und die Muskeln des Oberarms intensiv anspannst. Achte dabei darauf, die Muskeln des Unterarms und der Hand weitgehend locker zu lassen. Spanne jetzt fest an, und halte die Spannung, atme ruhig weiter, und halte die Spannung noch ein wenig mehr … und lasse wieder los. (Pause 30-40 Sek.)
Wiederhole die Übung noch einmal… 
Nun kommen wir zur linken Hand und zum linken Unterarm… (wie oben)
Nach der Übung bleibe noch eine Weile in Deiner Position. Erlaube Dir, der abwechselnden An- und Entspannung noch etwas nachzuspüren…
 
Es gibt vielleicht kein allgemeineres Heilmittel als Ruhe. (Edmund Jacobson)
 
Hast Du es mal ausprobiert – wie war es für Dich? Hast Du den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung wahrnehmen können? Oder ist Dir etwas anderes aufgefallen? 
Vielleicht ist die Progressive Muskelentspannung genau die richtige Methode für Dich, wenn es mal wieder stressig wird. Solltest Du Dir unsicher sein oder mehr Information haben wollen, dann meld Dich doch bei Ulrike oder schau Dir das LebeLieberLeicht-Programm, das Online-Stressbewältigungsseminar, an!

Ich bin Ulrikes Assistentin, Sandra