Diplom-Psychologin-Psychologe-Verhalten-autistischer-Kinder-Herausforderung-Beduerfnisse-Strategien-B-1.png

Herausforderndes Verhalten bei Kindern mit Autismus

Gastbeitrag von Assistentin Jasmin Prior
Kennst Du das, wenn Dein autistisches Kind schreit, weint, tobt und Du es nicht beruhigt bekommst?
Keine Sorge, so geht es vielen Eltern. Ich habe ein paar kleine Tipps und Tricks für Dich, wie du deinen Alltag mit deinem Kind meistern kannst!

Warum verhält sich mein Kind so?

Für jeden Menschen dient das Verhalten als Kommunikationsmöglichkeit. Das Verhalten vermittelt meist eine Botschaft, wie das Kind momentan die Beziehung zur Umwelt empfindet. Empfindet ein Kind z.B. innere Unruhe und Unbehagen, dann zeigt das Kind dies oft durch Schreien der Weinen.
Um sich dies noch etwas leichter vorstellen zu können, denk einmal an ein Neugeborenes. Neugeborene verfügen nur über sehr wenige Möglichkeiten, bemerkbar zu machen, wie es ihnen geht. Wenn sich die Gefühle und die Stimmung im negativen Bereich befindet, z.B. durch Hunger, Schmerz usw., dann schreit und weint das Kind. Ist das Kind hingegen zufrieden, dann weint und schreit es nicht, sondern lacht.
Oft sind diese Kommunikationsmöglichkeiten bei einem Menschen mit Autismus ähnlich wie bei einem Neugeborenem. Zusätzlich kann eine geringe Sprachentwicklung dazu führen, dass das Kind lernen muss, sich anders bemerkbar zu machen als mit Worten.
 
Tim, ein 11-jähriger Junge mit frühkindlichem Autismus, bekommt jeden Morgen im Kindergarten einen Wutausbruch. Die Eltern und die Erzieher*innen haben schon viele Dinge ausprobiert, damit der Junge ruhig im Kindergarten ankommen kann. Nichts von diesen Ideen hat geholfen. Tim kann nicht sprechen, aber er macht durch sein Verhalten deutlich, dass es ihm nicht gut geht. Nach mehreren Versuchen kommt Tim’s Mutter auf die Idee, dass er sein Lieblingskuscheltier mitnehmen kann. Dieses Kuscheltier begleitet Tim bei jeder alltäglichen Situation, nur wenn er in den Kindergarten geht, muss er dies im Auto sitzen lassen. Plötzlich verhält sich Tim wie ausgewechselt. Er nimmt sein Kuscheltier und setzt sich zu den anderen Kindern in den Stuhlkreis.
Tim hatte das Bedürfnis, sein Kuscheltier mit in den Kindergarten zu nehmen. Da er dies nicht ausdrücken konnte, fing er anstelle dessen an zu Schreien und zu Weinen. Er hatte nicht die Möglichkeit seiner Mutter deutlich zu machen, dass er sein Kuscheltier mitnehmen will.

Welche Bedürfnisse stehen hinter dem Verhalten von meinem Kind?

Natürlich sind die Bedürfnisse je nach Situation und Individualität des Kindes unterschiedlich. Trotzdem lassen sich bei einem Kind mit Autismus ein paar Bedürfnisse hervorheben, die bei nicht vollständiger Befriedigung zu herausforderndem Verhalten führen können.
 
“Ich will verstanden werden”
Wie im oben genannten Beispiel, kommt es häufig dazu, dass Kinder mit Autismus Probleme haben, sich mitzuteilen. Dies führt dazu, dass das Kind nicht verstanden wird, sodass die eigenen Bedürfnisse nicht erkannt werden. Aufgrund der erschwerten sozialen Kommunikation und Interaktion, erhöht sich die Erregung des Kindes, was dazu führt, dass dieses durch das Verhalten aufmerksam macht, dass es etwas nicht stimmt.
 
“Ich brauche Struktur”
Oft sind Kinder mit Autismus sehr schnell überfordert, wenn sich zeitlich etwas ändert, was für sie nicht vorhersehbar war. Zum Beispiel kann ein Termin beim Kinderarzt, von dem die Eltern nicht erzählt haben, zu großem Geschrei führen. Es besteht bei den meisten Kindern mit Autismus ein Wunsch nach Vorhersehbarkeit und Strukturiertheit, um sich gegebenenfalls darauf vorbereiten zu können.
 
“Ich brauche Ruhe”
Eine veränderte Wahrnehmung führt bei Menschen mit Autismus oft zur Reizüberflutung und damit zur Überforderung. Wenn ein Kind herausforderndes Verhalten zeigt, geschieht dies, wenn es  überfordert ist. Manchmal ist die Wahrnehmung mancher Sinnesorgane besonders empfindlich, z.B. das Hören. Bei einem solchen Fall, kann schon ein lautes Signal oder die Sirene eines Feuerwehrautos, zusätzlich zu den alltäglichen Geräuschen, zu einer Reizüberflutung führen.

Wie kann ich meinem Kind helfen?

  1. Schaffe für Dein Kind eine Möglichkeit zur Kommunikation. Meist ist die visuelle Wahrnehmung bei Kindern mit Autismus der Weg zum Ziel. Mittels Bildkarten, Fotos, Gebärden oder Symbolen kannst du deinem Kind eine Option bieten, wie es sich selbst ausdrücken kann. Dies ist besonders bei Kindern mit keiner oder wenig vorhandener Sprache sinnvoll. METACOM8 (Kitzinger, 2020) bietet z.B. solche Bildkarten an, die zur unterstützen Kommunikation dienen. Es gibt verschiedene Arten solche Bildkarten, Fotos und Symbole einzusetzen, z.B. bei der Auswahl des Essens, des Spielzeuges oder der Kleidung. Auf der Internetseite https://www.metacom-symbole.de/ gibt es Downloads für den alltäglichen Gebrauch, von Büchern und Spielideen. Für gebärdenunterstützte Sprache gibt es verschiedene Internetseiten, wo Du nachschauen kannst, z.B. https://signdict.org/
  2. Biete Deinem Kind Struktur. Durch die Erstellung eines Wochen-, Tages- oder Handlungsplans kannst du Deinem Kind die nötige Struktur geben. Meist ist es sinnvoll, dem Kind kleinschrittig zu erklären, was kommt. Wenn Dein Kind dann die Handlung mit den einzelnen Handlungsschritten verknüpfen kann, kann ein grober Plan eingesetzt werden. Hierfür ein  Beispiel für einen Plan:
Der kleinschrittige Ablauf des Händewaschens (mit Symbolen unterstützen)
  1. Hände nass machen.
  2. Seife nehmen.
  3. Hände einseifen.
  4. Hände abwaschen.
  5. Hände mit einem Handtuch abtrocknen.
  1. Schaffe für Dein Kind einen Rückzugsort. Sei es zuhause, im Kindergarten/Schule oder bei den Freunden, sorge dafür, dass es einen Ort gibt, an dem Dein Kind Ruhe finden kann. In Einrichtungen gibt es meist die Möglichkeit, dass es Ruheräume oder Nebenräume gibt, in die sich Dein Kind zurückziehen kann. Zuhause ist dieser Rückzugsort oft das eigene Zimmer, wo vertraute Spielsachen bereit liegen, mit denen Dein Kind Ruhe finden kann.

Meine persönliche Lieblingsmethode: Die "Erst ..., dann ..." Karte

Mit der “Erst …, dann …” Karte kann man kleinschrittig erklären, welche Aktivität nach einer Aktivität folgt. Damit kannst du Deinem Kind deutlich machen, dass nach einer nicht so geliebten Tätigkeit eine schöne Tätigkeit folgt. Zuerst sind z.B. Hausaufgaben geplant, dann Eisessen. Die Karte bietet die Möglichkeit die geplanten Aktivitäten zu visualisieren, um das Kind darauf vorzubereiten.
Für die Karte benötigst Du:
  • ein längst in der Mitte durchgeschnittenes  DIN A5 Blatt, welches Du am besten einlaminierst
  • beide Seiten eines klebenden Klettbandes
  • Bildkarten, Fotos oder Symbole
So verwendest Du die Karte:
  • die Aktivität die zuerst geplant ist, klebst du mit den Klettpunkten auf die linke Seite der Karte
  • die Aktivität, die als zweites geplant ist, wird an die rechte Seite der Karte geklettet
  • dann erklärst Du Deinem Kind “erst machen wir das und dann machen wir das”
  • ist die Aktivität beendet und es folgt eine weitere Aktivität, nimmst du die beendete Aktivität ab und klebst die folgende Aktivität auf die linke Seite und die neue auf die rechte usw.
Auf dieser Seite findest Du eine Vorlage für eine solche Karte und weitere Ideen zur unterstützenden Kommunikation: https://uk-couch.de/downloads/erst-dann-karte/
 

Ich bin Ulrikes Assistentin, Jasmin Prior.

Hier Beschreibung einfügen